nackend sein

Das Nackendsein.
Warum macht es uns so Angst?
Was kann man uns denn nehmen, wenn wir nackend sind? 
Dann bedeckt uns doch eh nichts mehr. 
Dann halten wir an nichts mehr fest. 
Dann sind da nur noch wir. 

Wir nackend.
Ich nackend. 

Ich habe keine Angst mehr, mich zu zeigen. 

Es stört und provoziert so manchen. Doch egal. 
Es ist die Scham, die versucht, nach einem Tuch zu schnappen und es über mich zu werfen.

Meine Scham ist es nicht.
Sie habe ich zur Ruhe gebracht.
Sie hat ihre Arbeit getan. Gut getan. Und darf nun ruhen.

Es ist die Scham der Fremden.

Sie sehen mein Nackendsein wie ein rotes Tuch.
Schande über mich!
Schnell ein neues Tuch und drüber damit!

So gesellt sich Tuch zu Tuch.
Ich schaue sie mir an.
Das Tuch, das man in mir sieht und jenes, mit dem man das, was man in mir sieht, bedecken will. 
Verstecken will.

Ich lache. 
Das nutzt doch nix. Wirf soviel Tuch, wie du magst, Mensch, ich bin ja nicht das Tuch. 
Nicht das rote. Und auch kein anderes. 

Nackend bin ich. 
Und nackend will ich sein.

Ich weine.
Du bist es doch auch, Mensch, da untendrunter.
Auch du bist nackend.
Du hast dich nur vergraben. 
Ich weiss es. 
Und schlimmer noch, du weisst es auch.

Nur hast du Angst.
Angst vor den anderen Tuchwerfern. 
Und so schimpfst du lieber über mich.

Nackendsein. 

Warum macht es uns so Angst? 
Was kann man uns denn nehmen, wenn wir nackend sind? 
Nichts.

Und was uns geben?

Alles.

(2017)