Du.
Teil meiner Selbst.
Treue Begleiterin meiner Irrwege.
Verkannte Hure der Harmonie.
Du.
Lieblich säuselnd an meinem Ohr.
Mimi, Liebste, diesen Schritt kannst du doch noch tun. So schlimm ist das nicht. Nimm ihn einfach auf dich. Ich helfe dir. Immer. Überall.
Ja, das stimmt, du hast mir immer geholfen. Ohne Murren. Auch wenn dir die Kraft fehlte.
Oder mir?
Fehlte nicht vielmehr mir die Kraft?
Mmmh…
Du hast es mich nie spüren lassen, mich stets bestärkt und mir Mut zugesprochen.
Du.
Mit dir habe ich das Tragen gelernt.
Tragen…
Auch und vor allem das Leid der Anderen.
Als Kind hätte ich ohne dich nicht überlebt. Das weiss ich. Ich durfte mich in deiner Aufopferung verkriechen. In deine wiegenden Arme legten sich alle weiteren Teile meines Selbst.
Irgendwann bekamst du Grössenwahnanfälle. Wer sollte es dir verdenken? Die Aussenwelt jubelte bei jedem deiner Auftritte. Alle profitierten von dir.
Alle ausser mir.
Ich lernte, dich zu tragen.
Vielleicht ist das so im Leben.
Das, was uns einst trug, müssen wir erst selbst solange tragen, bis wir es endlich ablegen können.
Wegschicken…
Hinaus in die Welt.
Heute ist genug.
Wir waren lange Jahrzehnte ein treues Paar.
Ich weiss, ich bin so gesättigt von dir, dass all dein Reichtum und deine Schönheit in mir bleiben werden. Ich habe gelernt, was du mich lehren konntest.
Heute lass ich dich ziehen.
Nein, ich schicke dich sogar.
Geh, geh auf deine neue Reise, zieh in deine Welt.
Genau wie ich.
Wir ziehen beide jetzt herum und blicken unseren verschiedenen Horizonten entgegen.
Heute habe ich dich geschmückt.
Blumen zieren deinen Rock.
Du bekamst endlich ein Gesicht.
Und hier stehst du nun, bereit für dein grosses Abenteuer.
Ich wiege dich, wie du es einst für mich getan.
Ich wiege dich ein letztes Mal.
Geh nun.
Lebe dein Leben.
Irgendwo.
Und wenn es uns beiden danach ist, dann winken wir uns zu.
Und vielleicht kreuzen sich unsere Wege nochmals. Möglich.
Doch wir klammern uns nicht mehr aneinander.
Sondern lachen nur noch über die guten alten Zeiten.
Über damals, als wir treuherzig eng verschlungen durch die Strassen zogen.
Und irgendwann, wenn unsere Zeit gekommen ist, dann reichen wir uns ein letztes Mal die Hand.
Einander.
Dann nehmen wir Abschied vom Leben, gemeinsam mit all den anderen Teilen meines Selbst.
Wir geniessen den letzten grossen Applaus.
Verbeugen uns.
Und verschwinden.
Ffffffffff…
(2017)